Es wird knapp


    Die Stimme der KMU und der Wirtschaft


    (Bild: zVg) Henrique Schneider

    Gleich zwei Abstimmungen zur AHV stehen an. Am gleichen Sonntag prallen zwei Konzepte aufeinander. Der Ausgang der Abstimmung wird knapp. Das ist auch gut so.

    Die Schweizer Altersvorsorge ist gleichzeitig eine Heilige Kuh und ein Erfolgsmodell. Die drei Säulen haben dazu geführt, dass die Bevölkerung reich wird und im Alter ein gutes Einkommen hat. Die AHV soll das Überleben sicherstellen und die zweite Säule einen guten Lebensstandard im Alter ermöglichen. Die dritte Säule ist für das Extra obendrauf. So war das Ganze vorgesehen.

    In der Realität führen die zweite und nebenbei die dritte Säule zu einer weltweit beispiellosen Akkumulation von Kapital. Global einzigartig ist auch die Verteilung dieses Kapitals. Sie macht sogar den sogenannten unteren Mittelstand wohlhabend. Die zweite Säule ermöglicht darüber hinaus auch noch den Häuserkauf und die Unternehmensgründung. Die AHV wiederum ist das soziale Element in der Altersvorsorge und kittet einiges an gesellschaftlicher Identität.

    Trotz – oder eben: wegen – dieses Erfolgs, das weltweit seinesgleichen sucht, wurde die Altersvorsorge zur Heiligen Kuh. Änderungen an ihrem System haben es sehr schwer. Reformen sind schon fast unmöglich. Der nächste Abstimmungssonntag zeigt dies exemplarisch auf.

    Die Renteninitiative will das AHV-Eintrittsalter moderat anpassen. Dagegen regt sich riesigen Widerstand. Diese moderate Anpassung spart der AHV Milliarden Franken. Diese Milliarden sind wiederum notwendig, um die Leistungen einer Versicherung, die auf Umverteilung basiert, sicherzustellen. Damit der Brunnen weiter sprudelt, muss er Wasser haben. Die Anpassung des Rentenalters ist dieses Wasser. Aber man will es offenbar nicht.

    Die 13. Rente für alle nimmt den Brunnen sogar Wasser weg. Dieses Wasser wird in Giesskannen abgefüllt, die dann freigiebig ausgeschüttet werden. Bezüge höherer Renten bekommen natürlich mehr dabei als Bezüger kleinerer Renten.

    Warum stemmt sich die Bevölkerung gegen Reformen und will offenbar mehr Umverteilung? Nicht wenige Politiker werden den Leuten Egoismus vor. Angeblich wollen die Menschen nicht mehr oder länger arbeiten. Es wird oft von oben herab behauptet, Menschen wollen sich in die Hängematte des Sozialstaats legen.

    Das glaube ich nicht. Die Menschen sind nicht dumm. Sie wissen ganz genau, dass die 13. Rente eine Giesskanne ist. Sie haben auch verstanden, dass sowohl die Mehrwertsteuer als auch die Preise teurer werden. Und sie haben kapiert, dass die Reicheren überproportional mehr Rente erhalten als die Ärmeren.

    Der Grund, warum viele gegen die Renteninitiative und für die 13. Rente stimmen, ist ein ganz anderer. Viele Menschen in der Schweiz fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Mit der 13. Rente liegt endlich eine Vorlage vor, die zu Gunsten der eigenen Bevölkerung ausfällt – mindestens nimmt man sie so wahr. Genau das erwartet das Volk von der Politik: Vorlagen, die primär mit dem Wohlergehen der Menschen in der Schweiz dienen.

    Das Volk beobachtet genau, wie die Schweizer Politik sagt, dass das Land etwa fünf Milliarden Franken für die 13. Rente nicht hat. Aber dann hat man doch mehrere Milliarden Franken für das Asylwesen, für die Ukraine, für die Entwicklungshilfe, für die Klimahilfe und so weiter. Die Leute merken diesen eklatanten Widerspruch.

    Entsprechend gibt das Volk zurück an die Politik: Solange die Schweiz für alles und alle mitbezahlt, was sich auf dem Planeten bewegt, wollen die Menschen in der Schweiz auch etwas davon haben. Gerade in der Altersvorsorge gibt es dafür den grössten gemeinsamen Nenner.

    Ich sage natürlich Ja zur Renteninitiative und Nein zur 13. AHV-Rente. Aber das bestenfalls knappe Ergebnis an der Urne ist ein deutlicher Zeigefinger. Sollten sogar die Renteninitiative abgelehnt und die 13. Rente angenommen werden, ist die Abmahnung noch klarer: Die Schweizer Politik hat nur eine Aufgabe: Die Menschen in der Schweiz in den Mittelpunkt zu stellen.


    Ihre Meinung zu diesem Thema interessiert uns. Schreiben Sie per Mail an:
    schneider@umweltzeitung.ch


    Zur Person:
    Henrique Schneider ist Verleger der «Umwelt Zeitung». Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.

    Vorheriger ArtikelPflege von Kindern mit Beeinträchtigungen – mit Qualität, Kompetenz und Herz
    Nächster ArtikelAdele in München: Einzige Konzerte in Europa