Gedanken zur UNION
Am 12. September hat die schweizerische Bundesverfassung Jahr für Jahr Geburtstag. Das helvetische Understatement macht daraus keine grosse Sache. Gleichwohl verdanken wir diesem Ereignis aus dem Jahr 1848 sehr viel. Zur Erinnerung, die UNION wurde 1843 in Sonvillier gegründet. Unser moderner Bundesstaat wurde 5 Jahre später aus der Taufe gehoben.
Bis es so weit war, gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen katholisch-konservativen und antiklerikal-liberalen Kreisen. Ja, es kam sogar zu einem kurzen bewaffneten Konflikt, dem Sonderbundskrieg. Auch nachher dauerte der Kulturkampf an. Die Zweite Bundesverfassung von 1874 setzte klare Zeichen: Die Errichtung von Bistümern unterliegt der Genehmigung des Bundes, der Jesuitenorden wird verboten, Klöster dürfen weder neu- noch wiederrichtet werden, römisch-katholische Geistliche verfügen nicht über das passive Wahlrecht für den Nationalrat.
Jura 1843 – 1874 ein Pulverfass mit konfessionell-politischen Unruhen
Doch der Kulturkampf war noch nicht ausgestanden. So kam es im Jura 1873/1874 zu konfessionell-politischen Unruhen, welche die Berner Regierung u. a. mit militärischen Mitteln unterdrückte. Es ist also kein Zufall, dass die UNION im Jura gegründet wurde. Die Spaltung zwischen konservativ-katholischen und liberalen Katholiken, die Abspaltung der Christkatholiken, das Verbot des Jesuitenordens und die Intervention der Berner Regierung manifestierte sich im Jura besonders ausgeprägt. Der Jura war zur Zeit der Gründung der UNION bis in die Jahre um 1900 ein Pulverfass mit enormer Sprengkraft.
Fritz Marchand und Jules-Cesar Wille wollten einen Geheimbund
Ist die UNION also wirklich aus der viel besungenen Misere (Alkoholismus, Arbeitslosigkeit, Armut) entstanden? Oder war sie die logische Folge einer konfessionell-politischen Auseinandersetzung? Dass die UNION als Geheimbund gegründet wurde und eine sowohl politisch als auch konfessionell neutrale Solidaritätsgemeinschaft bildeten deuten darauf hin, dass die Bürger die Wirren im Jura schlichtweg «satt» hatten. Um die Armut zu bekämpfen hätte man auch schlichtweg Sammlungen durchführen können. Unsere Gründer wollten jedoch bewusst eine Gesellschaft frei von jeglicher Einflussnahme durch Politik und Religion, frei von Stand und Rang.
Heiratsverbot zur Zeit der Gründung der UNION um die Vermehrung der Armen zu unterbinden
Um bei der Union mit dabei zu sein, bedurfte es lediglich eines Versprechens. Das Unionistische Versprechen. Damals eine revolutionäre Idee. Die Union nimmt jeden Mann auf, der sich von ihren Prinzipien und Zielen angezogen fühlt, ihnen beipflichtet und zu ihrer Verwirklichung beitragen möchte. Dies war auch das Fundament der Im Jahre 1848 gegründeten Hilfskasse. Ein vom 19. Juni 1848 datiertes Dokument der UNION erwähnt: «…dass alle Mitglieder sich wenn nötig beizustehen haben, sei es durch Beratung oder durch Geld.» Die Solidarität findet direkt und diskret Anwendung. In einer Zeit wo die Menschen überhaupt keine Sozialleistungen kannten. Der Vermehrung der Armen versuchte man teilweise auch mit Heiratsverboten Herr zu werden, was mit der Verfassung von 1874, die eine Unterscheidung der Menschen nach sozialer Situation untersagte, beendet wurde. Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts erhielten Fürsorgeabhängige Geld, um nach Amerika auszuwandern. Als «Gegenleistung» wurde der Arme für heimatlos erklärt, so dass keine Schweizer Gemeinde mehr für ihn aufkommen musste. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Kantone, Gesetze über Fürsorgeleistungen zu schaffen.
Zweckgemeinschaft UNION?
Die UNION erfüllte also damals durchaus den Zweck einer «Krankenkasse.» In der damaligen Zeit stellten nämlich die Mitgliederbeiträge an die UNION eine grosse Belastung für die einzelnen Unionisten dar, wenn man die damaligen unzulänglichen Löhne in Betracht zieht.
Die UNION so könnte man sagen war also auch ein Vorläufer einer modernen Krankenkasse. Der Beitritt war freiwillig, es bedurfte eines Versprechens und man war Mitglied. Dies bedeutete, dass der Bürger nicht allein für sich verantwortlich war, sondern sich die Mitglieder einer definierten Solidargemeinschaft gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewährten und insbesondere auch finanzielle Hilfe. Die Beitragsbemessung für den Schutz orientierte sich prinzipiell an der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit.
Wenn wir uns also an die Gründung der UNION erinnern so bedürfen auch diese Facetten der vordergründigen Zweckgemeinschaft zur finanziellen Sicherung, neben der Pflege der Freundschaft, dem Streben nach dem Wahren und Guten, einer wertefreien Beurteilung.