Mit spitzer Feder …

Bald ist Ostern. Am Ostersonntag feiern Christen die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Ostern steht für den Sieg des Lebens über den Tod. Auch deshalb gilt es als das wichtigste Fest im Jahreslauf der evangelischen und katholischen Kirche. Für mich ist Ostern das wichtigste Fest überhaupt. An Ostern wird alles, was das Leben ausmacht gefeiert: Glaube, Liebe und Hoffnung. Symbolisch dafür stehen Kreuz, Herz und Anker. Ich habe einen solchen Anhänger, der mich durchs Leben begleitet. Wobei es mit dem Anker so eine Sache ist. Er verhakt sich gerne mal im Pulloverärmel, im Henkel der Taschen, etc. – aber im Leben benötigt man auch immer wieder einen Halt. Der Kirchenlehrer Thomas von Aquin hat Ostern als das Zur-Ruhe-Kommen des tiefsten menschlichen Sehnens bezeichnet. Dieses Glück ist nicht stimmungsabhängig. Es beginnt im Jubel am Palmsonntag, kennt die tiefste Verzweiflung an Karfreitag, um sich dann an Ostern in ein neues unfassbares Glück zu wandeln. Ein Glück, das tragfähig sein will, durch alles Leid hindurch. An Ostern besiegt das Licht die Dunkelheit. Dabei kommen mir immer die Worte von Dietrich Bonhoeffer – der mich zusammen mit den göttlichen Mächten durchs Leben begleitet – in den Sinn: «Sagen Sie ihm, dass dies für mich das Ende, aber auch der Anfang ist.»
In sicherer Erwartung seiner Hinrichtung liess Dietrich Bonhoeffer dies seinem Freund George Bell ausrichten, dem Bischof von Chichester. Kürzer, kraftvoller und unsentimentaler kann man den Osterglauben nicht ausdrücken. Bonhoeffers Worte treffen mich direkt ins Mark in einer Zeit, in der so viel vom Ende die Rede ist: vom Ende der Möglichkeiten, vom Ende der natürlichen Lebensgrundlagen, vom Ende des Wachstums, vom Ende des Lebens, wie es uns vertraut ist, vom Ende der Weltordnung und der Demokratie. Es ist viel Endzeitstimmung in der Welt, viel Kreuz, viel «Mein Gott, warum hast du mich verlassen?», aber so wenig Ostern. Und damit meine ich nicht den galoppierenden Verlust von christlichem Wissen und religiösen Ritualen. Ich meine diese Mischung aus Zukunftsangst, Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit, die schwer wie eine dicke, kratzige Decke auf der Gesellschaft liegt. Ich meine die finstere Tristesse, die viele befällt, weil sie sich von Todesmächten in vielerlei Gestalt belagert und belauert fühlen.
Dabei ist unser Kompass in uns – Tag und Nacht: Unser Bauchgefühl, unsere Intuition und unser Vertrauen zum Universum und zu Gott. Der Glaube an eine höhere göttliche Macht ist momentan wichtiger denn je. Er ist unsere Wurzel, unser Fels in der Brandung, der es uns ermöglicht, ruhig und gelassen, verbunden mit dem Universum, schwierige Situationen und unmögliche Zustände auszuhalten. Auch das gehört zum Leben. Das Osterfest zeigt uns jedes Jahr von Neuem, nach jedem Dunkeln kommt das Licht und die allgegenwärtige Liebe. Mit Liebe und Glauben ist alles Garstige und Unzumutbare überwindbar. Ostern zeigt uns auch, es braucht Schmerz, Trauer und Transformation, damit etwas Neues entstehen kann, dass alles bisher dagewesen überstrahlt. Jeder einzelne Tag unseres Lebens ist immer wieder ein Anfang. Ein Anfang, Hoffnung zu schöpfen, Liebe zu geben, Freude zu verbreiten, und die Welt so ein Stückchen besser zu machen. Jeder Tag ist bestimmt von Kreuz, Herz und Anker. Deshalb ist für mich so quasi jeder Tag Ostern – immer wieder die Erfahrung zu machen, ich bin nicht alleine, ich werde getragen und behütet von den göttlichen Mächten und einem Heer an Schutzengeln.
«Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen», hat Dietrich Bonhoeffer geschrieben. Und weiter: «In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.» Er hatte 1943 wenig Anlass, das zu glauben. Weniger als wir 2025. Es dennoch zu wagen, das ist Ostern.
Und das wünsche ich Ihnen liebe Leserinnen und lieber Leser von ganzem Herzen – haben Sie den Mut, Ihre Ängste und Abgründe zu überwinden, sich ihnen zu stellen, im Vertrauen darauf, dass da eine göttliche Energie ist, die uns trägt – ohne Wenn und Aber! In diesem Sinne, frohe und besinnliche Ostern.
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin