Für David Gerke, Präsident Gruppe Wolf Schweiz, ist die Revision des Jagd- und Schutzgesetzes völlig missraten, denn es schwächt generell den Artenschutz. Aus seiner Sicht ist es ein erster Schritt hin zur regionalen Ausrottung von Wolf und Luchs, was absolut nicht nötig ist.
Mit dem revidierten Jagdgesetz sind Sie ganz und gar nicht einverstanden. Was stört Sie daran?
Das revidierte Jagd- und Schutzgesetz (JSG) schiesst über das Ziel hinaus. Während es ursprünglich um die Motion Engler ging, die einen schnelleren Abschuss von Problemwölfen verlangte, wurde jetzt das Fuder überladen mit einer Kompetenzverschiebung von Bund auf Kantone und dem Abschuss von Wölfen, die gar keine Schäden anrichten. Auch weitere heute geschützte Arten können zukünftig, ohne dass sie Schäden machen, abgeschossen werden, sobald sie auf der Liste des Bundes landen. Bedrohte Arten wie Birkhahn, Feldhase, Schneehuhn und Waldschnepfe können hingegen weiterhin bejagt werden, statt dass man sie endlich unter Schutz gestellt hat.
Sie sagen, der Wolf sei nur der Anfang. Sie warnen, dass bald noch andere Tiere auf der Liste der regulierbaren Arten landen, zum Beispiel der Biber oder der Luchs. Wie kommen Sie denn darauf, dass der Bund noch andere schützenswerte Tiere abschiessen will. Was hat er davon?
Bereits während der Debatte setzte das Parlament Luchs, Biber und Graureiher auf die Abschussliste. Erst aus Angst vor dem Referendum wurden die Arten in letzter Sekunde wieder gestrichen. Die Hauptforderung des schweizerischen und auch des bernischen Jagdverbandes ist die Dezimierung des Luchses, nicht des Wolfes. Und der Jagdverband leitet die Ja-Kampagne. Deshalb ist klar, worum es beim Gesetz letztlich geht: Auch andere geschützte Tiere als nur den Wolf möglichst bald zu dezimieren. Der Druck auf die Regulierung von Luchs & Co. wird nach der Abstimmung rasch sehr stark zunehmen. Und bereits jetzt sehen wir, dass sich sogar Kantonsregierungen für die regionale Ausrottung des Wolfes stark machen. Das Jagdgesetz stellt für sie keinen Kompromiss dar, sondern nur einen ersten Schritt hin zur regionalen Ausrottung. Das sagen die Bündner und Walliser Regierungen ganz offen. Ein Märchen ist überdies auch, dass mit dem neuen Gesetz 300 Arten besser geschützt würden, weil sie der Bundesrat nicht mehr als jagdbar erklären kann: Bei praktisch allen diesen Arten, vom Wiedehopf bis zum Eichhörnchen, steht und stand eine Bejagung nie zur Debatte. Sie sind und bleiben geschützt, mit dem bisherigen Gesetz wie auch mit dem neuen.
Wie würden denn Sie das «Problem Wolf» angehen?
Nüchtern! Der bisherige Umgang mit dem Wolf war pragmatisch. Man könnte auf Basis der breit akzeptierten Motion Engler das Wolfsmanagement weiter entwickeln. Die Motion Engler verlangte keine regionale Ausrottung und keinen Abschuss von unauffälligen Wölfen, sondern einen schnelleren Abschuss von Wölfen, die trotz Herdenschutz Nutztiere reissen. Für diese Forderung bieten wir Hand. Letztlich wollen auch wir keine Wölfe, die Nutztiere reissen, sondern solche, die sich in der Natur von Wildtieren ernähren.
Nach welchen Kriterien würde Sie das veraltete Jagdgesetz revidieren, denn ein Wildtiermanagement braucht es doch?
Wir bieten Hand für eine massvolle Regulierung des Wolfes, auch wenn dies eine Revision des Jagdgesetzes bedingen würde. Zugleich fordern wir aber auch, dass Wildtiere, die bedroht sind, aber noch immer bejagt werden, endlich unter gesetzlichen Schutz gestellt werden. Dies betrifft z.B. das Schnee- und das Birkhuhn sowie den Feldhasen. Das heutige Jagdgesetz ist aber eigentlich nicht veraltet – es ist fit, hat bisher gut funktioniert und würde sowohl eine massvolle Wolfsregulierung als auch den Schutz bedrohter Arten ermöglichen. Wildtiermanagement bedeutet aber nicht nur Abschuss. Ein nachhaltiges Wildtiermanagement nimmt auch den Menschen in die Verantwortung, etwa mit einer Stärkung des Herdenschutzes und einem Lock- und Fütterungsverbot für Wildtiere. Das fehlt in der Revision gänzlich, sie setzt nur auf Abschuss. Deshalb ist es ein Abschussgesetz.
«Man macht alles, und doch gibt es immer wieder Risse. Das geht an die Psyche», sagt ein Bündner Alp Hirt, der bereits auf das Herdenschutzprogramm setzt. Was raten Sie ihm, denn den Wolf erschiessen kommt ja für Sie nicht in Frage?
Die Sorgen solcher Alphirten sind ernst zu nehmen. Ich war selber 7 Alpsommer im Bündnerland Schafhirt, auch mit Herdenschutz und im Wolfsgebiet. Meine Erfahrung ist: Der Herdenschutz funktioniert! Und Wölfe, die trotz Herdenschutz Nutztiere reissen, kann man bereits heute abschiessen. Dazu braucht es das missratene neue Gesetz nicht. Es würde uns Hirten überdies auch gar nicht helfen, da es ausgerechnet während der Alpzeit weiterhin keine Abschüsse zulässt, wenn es sich um ein Rudel handelt (wie in Graubünden der Fall). Rudel würden durch Abschüsse von Jungwölfen, die nie Schäden verursacht haben, im Herbst ausserhalb der Alpzeit reguliert. So ernst man die Sorgen der Hirten auch nehmen muss: Das revidierte Jagdgesetz bietet ausgerechnet für uns keinerlei Lösungen. Die Lösung wäre mehr Herdenschutz und dessen bessere Finanzierung, aber das sieht die Revision nicht vor. Das Gesetz lässt die Bergbauern und Hirten mit ihren Sorgen alleine.
Gemäss Bundesräten Simonetta Sommaruga will das neue Jagdgesetz den Wolfsbestand sauber regulieren und nicht ausrotten. Das ist doch sinnvoll, denn die Tiere vermehren sich schnell und kommen uns Menschen bald einmal zu nahe!
Es geht nicht um die Frage, ob man den Wolfsbestand regulieren muss oder nicht. Bereits das heutige Gesetz erlaubt die Regulierung des Wolfes und wir bieten auch für weitere Anpassungen Hand, um das Zusammenleben mit ihm auch für die betroffene Bevölkerung zu erleichtern. Dafür hätte man allerdings nicht eine Revision des Jagdgesetzes machen müssen, die generell den Artenschutz schwächt, in dem sie ihn in die Kompetenz der Kantone delegiert und Abschüsse von geschützten Wildtieren generell erleichtert, in dem die Schwelle für Abschüsse massiv gesenkt wird. Das Parlament hat sich bei der Revision völlig verrannt und eine missratene Revision gemacht.
Interview: Corinne Remund